Giuseppe Verdi an Giulio Ricordi [nach Alessandro Manzonis Tod am 22. Mai 1873]

 St. Agata, 23. Mai 1873

Lieber Giulio,

Ich bin tief betroffen vom Tod unseres Großen! Aber ich komme morgen nicht nach Mailand, weil ich es nicht übers Herz brächte, an seinem Begräbnis teilzunehmen. Ich werde bald sein Grab besuchen, allein und ohne gesehen zu werden. Und vielleicht werde ich nach weiterem Nachdenken und nachdem ich meine Kräfte eingeschätzt habe, etwas vorschlagen, um sein Andenken zu ehren.

Bewahrt das Geheimnis und sagt kein Wort von meinem Besuch, weil es mir so peinlich ist, wenn die Zeitungen von mir berichten und mich sagen und tun lassen, was ich gar nicht sage und tue. Grüßt Clarina… addio.

G. Verdi

[zitiert aus: Hans Busch (Hrsg.), Verdi Briefe, Frankfurt am Main 1979, S. 122]

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Giuseppe Verdi an Giulio Ricordi

Mailand, 3. Juni 1873

Lieber Giulio,

Auch ich möchte bezeugen, wieviel Liebe und Verehrung ich jenem Großen entgegenbrachte und entgegenbringe, der nicht mehr ist und den Mailand so würdig geehrt hat.

Ich möchte eine Totenmesse komponieren, die im nächsten Jahr an seinem Todestag aufgeführt werden soll.

Die Messe soll von ziemlich großem Umfang sein, und neben einem großen Orchester und einem großen Chor würden auch (jetzt kann ich es noch nicht genau sagen) vier oder fünf Solosänger gebraucht.

Glaubt Ihr, daß die Stadtverwaltung die Kosten der Aufführung übernehmen würde? Die Kopien der Noten würde ich auf meine Kosten machen, und ich selber würde die Aufführung sowohl in den Proben wie in der Kirche dirigieren.

Wenn Ihr die Sache für möglich haltet, sprecht mit dem Bürgermeister darüber; gebt mir schnellstens Antwort, denn Ihr könnt diesen Brief als verbindlich ansehen…

Addio

Euer G. Verdi

[zitiert aus: Hans Busch (Hrsg.), Verdi Briefe, Frankfurt am Main 1979, S. 122]

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Giuseppe Verdi an Tito Ricordi

Genua, 30. März 1874

Lieber Tito,

Heute schicke ich Dir mit der Post einen großen Teil der Messa, das heißt das Requiem, und den ganzen Dies irae.

Morgen werde ich von 3 bis 5 Uhr nachmittags in Piacenza sein. Schicke mir ein Telegramm postlagernd an den dortigen Bahnhof, um mir zu bestätigen, daß Du das Notenpaket erhalten hast.

Am selben Abend werde ich in St. Agata sein. Donnerstag gehe ich nach Cremona, und von Cremona aus komme ich am selben Tag nachmittags um 5.30 Uhr in Mailand an. Sage Giulio, daß ich mich abends in Mailand aufhalten könnte, wenn es etwas zu tun, etwas zu besprechen gibt, und daß man von 5.30 Uhr bis Mitternacht alles machen kann, was man will.

Wenn es nichts gibt, fahre ich mit dem Zug um 6.45 Uhr gleich nach Genua. –

Ist das klar?

Auf jeden Fall bleibe ich am Donnerstag bis etwa 11 Uhr früh in St. Agata. Dies zu Deiner Kenntnisnahme. –

In Eile addio, addio.

G. Verdi

P.S. Eben erhalte ich ein Telegramm von Giulio und höre mit Freude vom Erfolg der Lituani. Ich gratuliere Dir und Ponchielli.
[zitiert aus: Hans Busch (Hrsg.), Verdi Briefe, Frankfurt am Main 1979, S. 128]

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Giuseppe Verdi an Giulio Ricordi

 St. Agata, 26. April 1874

Lieber Giulio,

Wie? Ihr habt mit den Chorproben noch immer nicht angefangen? O, Ihr habt ein bißchen zu viel Zuversicht! Es kann noch so leicht sein, und doch gibt es Nuancen, den Ausdruck und vor allem den Charakter betreffend, die nicht so ganz leicht sind. Ihr werdet besser als ich verstehen, daß diese Messe nicht wie eine Oper gesungen werden darf; folglich werden mich Färbungen, die im Theater gut sein können, ganz und gar nicht befriedigen. Das Gleiche gilt für die Akzente usw. usw. Dazu kommt immer die Schwierigkeit mit den großen Ensembles. Und Ihr sagt mir nicht einmal ein Wort über die Aufstellung des Orchesters, nichts über die Änderungen, die ich vorgeschlagen habe? Verliert keine Zeit und wartet nicht bis zum letzten Augenblick; es wird da sehr, sehr viel zu tun geben. Seid nicht leichtsinnig! Ihr werdet merken, daß wir auf Schwierigkeiten stoßen werden, die zur Zeit nicht zu sehen sind. Ich bitte Euch nochmals und wärmstens: Beschäftigt Euch ernstlich mit dieser armen Messe und – nehmt es mir nicht übel – mehr, als es bis jetzt der Fall gewesen ist. Es kann durchaus sein, daß sich der Aufwand nicht lohnt, aber wir haben damit angefangen und müssen hindurch. Am 22. wird alles vorbei sein. Mut! ...

Die Waldmann, zu dieser Stunde werdet Ihr es wissen, ist im [Hotel] Europa.

Ich rechnete damit, mit den Sängern am 1. Mai zu beginnen, aber wir werden am Samstagabend anfangen. Ich werde am gleichen Samstag um 5.30 Uhr in Mailand sein. Bestellt die vier Sänger pünktlich auf 8 Uhr in den Saal, den die Stadtverwaltung bestimmen wird. Wenn Capponi bis Samstag nicht in Mailand ist, fangen wir ebenso an, und trotzdem nicht allzu spät.

Ich wünsche, daß Ihr die Partien nicht vorher verteilt. Der Samstagabend wird nur dazu bestimmt sein, [die Sänger] ihre Partien hören zu lassen, ohne daß sie sie singen… Vielleicht wird es darum sogar besser sein, zuerst die Männer auf 8 einzuladen und dann die Damen auf 9. Aber davon sprechen wir noch. –

Ich bat Euch, die Partien nicht zu verteilen; wenn Maini (den ich für sehr eigensinnig halte) Euch darum bittet, könnt Ihr ihm die seine geben. Aber gebt weder der Stolz noch der Waldmann ihre Partien: Ich habe Angst, daß ein paar Fehler im Text sind.

Bestellt also, wenn möglich, die üblichen Zimmer für Samstag um fünf. Für die ersten Tage werde ich jedoch nur ein einzelnes Schlafzimmer brauchen, weil Peppina sich ein paar Tage lang bei ihrer Schwester in Cremona aufhalten wird, der es nicht gut geht. Addio.

G. Verdi

Zu Euerer Kenntnisnahme: Ich bin bis acht Uhr am Samstag hier.

[zitiert aus: Hans Busch (Hrsg.), Verdi Briefe, Frankfurt am Main 1979, S. 128-129]

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Giuseppe Verdi an Giuseppe Piroli

St. Agata, 4. August 1875

Ich schreibe Euch mit der Bitte, mir in einer Sache beizustehen, die mir ans Leben geht. In Ferrara hat ein Mörder von einem Blaskapellmeister die Messa für Manzoni für grobe militärische Instrumente arrangiert und öffentlich in einer Arena aufführen lassen! Könnt Ihr Euch eine größere Abscheulichkeit vorstellen? Eine Totenmesse – für Blaskapelle – in einer Arena!! ...

Da gibt es noch mehr: in Bologna drohen sie, die Messa öffentlich mit Gesang, Chor und Klavieren aufzuführen!! Man hat das Rathaus verständigt, das antwortet, es wisse nicht, ob der Artikel 15 des Gesetzes eine solche Aufführung verbietet, und daß es das Ministerium davon unterrichten wird. Aber der Artikel verlangt die Veröffentlichung der vollständigen Komposition. Nun ist so ein Arrangement für Klavier nicht meine Komposition und ist auch nicht die vollständige Komposition.

Was sagt Ihr dazu?

Wollt Ihr in meinem Namen an zuständiger Stelle ein Wort sagen?

Ist es denn wirklich nicht möglich, sich vor diesen Wucherern zu retten, die unser Blut saugen und uns so barbarisch verstümmelt dem Publikum vorsetzen?

Und dann können andere über das verfügen, war mir gehört, was die Frucht meiner Studien und meines Talentes, wie groß es auch sein mag, ist! Das ist eine absolute Infamie und eine Entwürdigung…

Addio. Schreibt mir. Verzeiht die Belästigung und nochmals addio.
[zitiert aus: Hans Busch (Hrsg.), Verdi Briefe, Frankfurt am Main 1979, S. 131-132]

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Giuseppe Verdi an Clarina Maffei

Köln, 22. Mai 1877

Liebe Clarina,

Ich sagte Euch in Mailand, daß ich Euch schreiben würde, und ich schreibe Euch; aber muß ich alles sagen? Ich werde Euch vielleicht nicht sehr bescheiden vorkommen, aber ich kann nun doch nicht umhin, Euch zu sagen, daß ich gut empfangen worden bin und daß der Empfang größer war, als ich erwartet hatte. Stellt Euch den musikalischen Tumult in diesen Tagen des Musikfestes vor: Klänge, Gesang überall, verschiedene Orchester, Bläserkapellen, Quartette, Serenaden, Matineen und dazu Einladungen bis in die Nächte hinein, Diners und Soupers. Vor allem Soupers, weil hier jede Aufführung – sonst ginge die Welt unter – um zehn Uhr abends beendet sein muß, damit man danach in die Restaurants gehen kann, wo sich niemals eine Flasche Wasser findet, aber Bier, Bordeaux, Rheinwein, Champagner und viel zu essen. Gestern nach dem Konzert, das das letzte war, lud uns die Festspielgesellschaft zum Souper ins Kasino ein. Wir waren wohl mehr als fünfhundert… mit Wein und Trinksprüchen; und am Ende wurde an jeden ein gedrucktes Lied verteilt, und alle Welt, Männer wie Frauen, fing zu singen an. Es war kurios! Später teilten sie ein anderes Lied aus – stellt Euch vor, auf italienisch mit den nettesten Schnitzern der Welt – und alle fingen wieder zu singen an. Die Lieder waren für mich gemacht. Schließlich machte Hiller einen Spruch auf französisch zu Ehren Italiens und Deutschlands, mit dem Wunsche, daß sie, wie sie jetzt künstlerisch verbunden sind, stets als Nationen verbunden sein mögen usw. … usw. … Da gab es ein furchterregendes und in dem Moment aufrichtiges Hurra… Und möge es jetzt und immer so sein, denn das wünsche ich von ganzem Herzen, wie Ihr ja wißt. Was die Konzerte angeht, gelangen sie prachtvoll, und die Messa wurde gut aufgenommen. Hervorragende Aufführung seitens Chor und Orchester.

Die Mitwirkenden des Musikfestes haben mir ein prachtvolles, riesengroßes Album mit den Ansichten des Rheins geschenkt; im ersten Bild sieht man das Innere eines Tempels: Requiem; auf einem Teil die letzte Szene der Aida, auf dem anderen vier Spieler: Das Quartett. Auch das Quartett, in Mailand mit so viel Herablassung beurteilt, wird hier anerkannt und oft gespielt. Ich habe es hier selber gehört, sehr, sehr gut.

Man hat mir auch einen Taktstock aus Elfenbein und Silber mit dem Buchstaben V in kleinen Diamanten und einer Inschrift geschenkt. (Die Damen des Chores.)

Dazu einen wunderschönen Kranz aus Silber und Gold; auf jedem Blatt steht einer der Namen der Kölner Damen, die ihn mir schenkten… Und damit genug…

Heute wird es im Garten eine Zusammenkunft von Mitgliedern der Bläserkapellen geben, dann addio…

Übermorgen reisen wir ab und machen eine Fahrt nach Holland und von dort nach Antwerpen, Brüssel und Paris, wo wir uns acht bis zehn Tage aufhalten werden, um (staunt nur) auszuruhen!!!! So ist’s…

Peppina geht es gut und sie grüßt Euch. Bei der Rückkehr nach Italien schicke ich Euch ein paar Worte aus Turin…

Einen guten Händedruck und addio von Herzen.

G. Verdi

[zitiert aus: Hans Busch (Hrsg.), Verdi Briefe, Frankfurt am Main 1979, S. 138-140]