Einleitung: „The darkness declares the glory of light"

„Die Dunkelheit kündet von der Herrlichkeit des Lichts - diese Worte hat Michael Tippett seinem engagierten Oratorium A Child of Our Time vorangestellt. Finsternis, Licht und Schatten sind Themen, die in Werken begegnen, welche bei der meersburger sommerakademie 2010 erarbeitet werden. Dabei ist grundsätzlich zu fragen, wie diese für die Malerei und bildende Kunst so existentiellen Parameter in die Musik, also eine klingende, aber flüchtige und unsichtbare Kunst (die gleichwohl „Klangfarben" verwendet) umgesetzt werden können. Auch der Blick auf die Musikgeschichte, die Art wie sie geschrieben und gelehrt wird, ist unter diesem Motto zu überdenken: Mit welcher Berechtigung stehen gewisse nationale Musikkulturen, Komponisten und ihre „Meisterwerke", im Rampenlicht unseres Konzertlebens und weisen indirekt anderen ein Schattendasein am Rande der Musikgeschichte zu? Was bedeutet es, wenn Italien und Deutschland ins Zentrum des Interesses gerückt werden, die Wiener Klassik in keinem Schulbuch fehlt, die Musikgeschichte Englands, Skandinaviens, der slawischen Länder oder gar der iberischen Halbinsel indessen allenfalls punktuell auftaucht? Wie hat es sich auf dominierende Künstlerbilder ausgewirkt, wenn vom Titan Beethoven, aber dem böhmischen Musikantentum eines Dvorák die Rede ist, und in ihrer Zeit als hervorragend verehrte Komponisten wie George Onslow oder Michael Tippett immer noch erst entdeckt werden müssen? Diese Streiflichter zeigen, dass es bei der meersburger sommerakademie um mehr geht als im die Einstudierung und Aufführung von Kompositionen - auch das Nachdenken über Musik steht im Mittelpunkt.

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Literaturtipp

Johann Georg Sulzer: Allgemeine Theorie der schönen Künste in einzeln, nach alphabetischer Ordnung der Kunstwörter auf einander folgenden, Artikeln abgehandelt, 2. vermehrte Auflage Leipzig 1792, [5 Bände, Reprint Hildesheim 1967-1970], Dritter Theil, S. 247:

(übrigens: Beethoven hat sich den Artikel „Rezitativ" aus Sulzers Allgemeiner Theorie der schönen Künste abgeschrieben!)

daraus Artikel „Licht und Schatten":

„(Zeichnende Künste)

So oft ein eingeschränktes Licht auf dunkele Körper fällt, entstehen auch Schatten, so daß Licht und Schatten in einer unzertrennlichen Verbindung stehen; besonders weil allemal die Stärke in beyden nach einerley Graden ab und zunimmt. Darum wird in der Mahlerei der Ausdruk, Licht und Schatten, wie ein einziges Wort angesehen, wodurch man die unzertrennliche Verbindung dieser beyden Erscheinungen anzeiget. Durch eine genaue aus der Form der erleuchteten körperlichen Gegenstände entspringende Vermischung des Lichts und Schattens an herausstehenden und vertieften Stellen wird vieles von der wahren Gestalt derselben dem Auge sichtbar, welches ohne Schatten nicht könnte bemerkt werden. So kommt der Mond, wegen Mangel der aus seiner Rundung entstehenden Vermischung des Lichts und Schattens uns nicht, wie er würklich ist, als eine Kugel, sondern blos als ein flacher Teller vor.

Deswegen ist die genaue Kenntniß des durch die Form der Körper, bey gegebener Erleuchtung, veränderten Lichts und Schattens ein Hauptstük der Wissenschaft des Mahlers. [...]"

Als Bildbetrachtung zum Thema (in der Malerei): Georges de La Tour (1593-1652):

Das Neugeborene (Geburt Christi?) [Rennes, Musée des Beaux Arts]

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Engel erscheint dem Hl. Josef im Traum [Nantes, Musée des Beaux Arts]

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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