8. Symphonie G-Dur op. 88 von Antonín Dvorák

Die 8. Symphonie G-Dur op. 88 von Antonín Dvorák (1841-1904) nimmt schon von der Entstehungsgeschichte her eine Sonderstellung unter den vier großen der insgesamt neun Symphonien des böhmischen Komponisten ein: Während Dvorák die 6. Symphonie D-Dur op. 60 auf Bitten des Dirigenten Hans Richter für die Wiener Philharmoniker und die 7. Symphonie d-Moll op. 70 als Auftragswerk für die Londoner Philharmonic Society geschrieben hatte, erfolgte der Arbeitsbeginn an der 8. Symphonie aus eigenem Antrieb. Möglicherweise hatte der Prag-Aufenthalt von Pjotr I. Tschaikowsky im November 1888 eine Rolle gespielt (bei dem dessen 5. Symphonie aufgeführt wurde, deren kompositorische Gestaltung sich z. T. in Dvoráks Achter spiegelt).

Tschaikowsky verließ Prag mit Dvoráks Zusage, als Gegenbesuch eine Konzertreise nach Moskau zu unternehmen. In nachfolgenden Briefen an Tschaikowsky kündigte Dvorák an, er werde eine neue Symphonie, die noch Manuskript sei, mitbringen. Die zwischen August und November 1889 komponierte Symphonie wurde allerdings auf der Russland-Reise weder in Moskau noch in Petersburg gespielt, sondern erlebte ihre Uraufführung am 2. Februar 1890 im Rudolfinum in Prag. Im Druck erschien sie in London im März 1892 (was ihr den Beinamen „Die Englische" einbrachte).

Mit dem Werk löste sich Dvorák von der klassischen Symphonie der Wiener Tradition, der Nachfolge von Joseph Haydn, Ludwig van Beethoven und Johannes Brahms. Es kommt zur Auflösung fester Themenkomplexe und der daraus resultierenden thematischen Arbeit, auch das Prinzip der entwickelnden Variation wird nicht mehr angewandt. Stattdessen steht eine Fülle von melodischen Einfällen nebeneinander. Dvorák kommentierte diese bewusst vollzogene Umorientierung vom „specifischen Symphoniker" hin zum „dichtenden Symphonist". So manches in dem Werk mag eher an die Tondichtungen Smetanas oder Dvoráks eigene slawische Rhapsodien erinnern. Brahms jedenfalls reagierte mit Unverständnis: „Zu viel Fragmentarisches, Nebensächliches, treibt sich da herum. Alles fein, musikalisch fesselnd und schön - aber keine Hauptsachen." Es kommt eben darauf an, in welchem Licht man ein symphonisches Werk beurteilen will! Dvoráks glänzender Karriere war die Komposition jedenfalls keineswegs abträglich, und die nachfolgende 9. Symphonie e-moll „Aus der Neuen Welt" op. 95 sollte seinen Weltrang als Komponist weiter festigen.

Die Satzbezeichnungen der Symphonie Nr. 8 in G-Dur op. 88

I. Allegro con brio

II. Adagio

III. Allegretto grazioso

IV. Allegro ma non troppo

 

Literaturtipps:

• Klaus Döge: Dvořák, Leben - Werke - Dokumente, Mainz 1991

• Klaus Döge (Hrsg.): Dvořák-Studien, Mainz 1994

• Otakar Šourek: Antonín Dvořák, Werkanalysen I, Orchesterwerke (Deutsche Textfassung von Pavel Eisner), Prag 1954

• Otakar Šourek (Hrsg.): Antonín Dvořák in Briefen und Erinnerungen (Deutsche Übersetzung von Bedřich ). Prag 1954

• Antonín Sychra: Antonín Dvořák, Zur Ästhetik seines sinfonischen Schaffens, Leipzig 1973

• Hans-Klaus Jungheinrich: „Hudba". Annäherungen an die tschechische Musik, Kassel 2007

Linda Maria Koldau: Die Moldau. Smetanas Zyklus »Mein Vaterland«, Köln, Weimar und Wien 2007 (Das Buch ist mehr als eine Werkeinführung, es schildert die Situation Smetanas im österreichisch-ungarischen Vielvölkerstaat der Donaumonarchie und als tschechischer Nationalkomponist, der natürlich als Friedrich Smetana deutschsprachig aufgewachsen war und die „neue Muttersprache" erst lernen musste.)

zurück       oben      weiter